Kinderarbeit: Zadić und Kocher erhalten “Erinnerung” vor ihre Türen

Starkes Lieferkettengesetz gefordert: Aktivistinnen der Initiative „Kinderarbeit stoppen“ erinnern Ministerinnen zum Welttag des Kindes an 160 Mio. arbeitende Kinder.

Aktivist*innen und Vertreter*innen namhafter Organisationen sorgen für einen „Reminder” der besonderen Art: Im Vorfeld des Welttags des Kindes am 20.9. schrubbten sie die Schriftzüge „Kinderarbeit stoppen” und „Lieferkettengesetz jetzt!” vor die Türen des Justiz- und des Wirtschaftsministeriums. „Damit wollen wir die verantwortlichen Stellen in den nächsten Tagen und Wochen auf dem Weg in ihre Büros daran erinnern, dass ihnen als koordinierende Minister*innen eine wichtige Rolle in den Verhandlungen um ein starkes europäisches Lieferkettengesetz, das wirksam gegen Kinderarbeit vorgeht, zukommt”, so Sigrid Kickingereder für das Bündnis „Kinderarbeit stoppen”.

Kinderarbeit ist weltweit im Steigen begriffen. Mit einem starken europäischen Lieferkettengesetz könnte wirksam gegengesteuert werden. Am 23. Februar wurde von der Europäischen Kommission ein Richtlinienvorschlag vorgelegt, der menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten für große Unternehmen vorsieht. Neben Beratungen in den Ausschüssen des EU-Parlaments werden im Herbst die EU-Mitgliedsstaaten in Arbeitsgruppen weiter über einen Kompromisstext zum so genannten Lieferkettengesetz verhandeln. Justizministerin Zadić und Wirtschaftsminister Kocher kommt dabei eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen zu.

Justizministerin Zadić sicherte der Initiative „Kinderarbeit stoppen” bei einem persönlichen Gespräch Ende Mai bereits volle Unterstützung im Kampf gegen Kinderarbeit und für ein wirksames Lieferkettengesetz zu. Auch mit Vertreter*innen des Wirtschaftsministeriums gab es bereits konstruktive Gespräche. Die beiden federführenden Ministerien haben bisher transparent über den EU-Gesetzgebungsprozess informiert und Beteiligungsmöglichkeiten geboten. Für Oktober wurde zu weiteren Konsulationveranstaltungen eingeladen, bei denen sich die Initiative „Kinderarbeit stoppen” gerne inhaltlich einbringen wird.

Mit sogenannten Reverse Graffitis – sie entstehen, indem der Bodenbelag mithilfe von Schablonen, Wasser und Bürsten stellenweise gereinigt wird – markierten die Aktivist*innen den Verlauf der „Menschenkette gegen Kinderarbeit”, den die Initiative „Kinderarbeit stoppen” anlässlich des Welttags gegen Kinderarbeit am 12. Juni ins Leben rief. Knapp 2000 Beiträge von Kindern und Erwachsenen aus ganz Österreich und aus von Kinderarbeit betroffenen Ländern wurden auf www.kinderarbeitstoppen.at für die Menschenkette eingereicht, um österreichische Spitzenpolitiker*innen dazu aufzufordern, sich für ein wirksames Lieferkettengesetz einzusetzen. Sie reicht mit etwa drei Kilometern Länge vom Justizministerium bis zum Wirtschaftsministerium.

Weltweit sind rund 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen. Erstmals seit 20 Jahren steigt die Zahl arbeitender Kinder wieder an. 2015 war die Weltgemeinschaft noch optimistisch: Sie setzte sich in der Agenda 2030 das ehrgeizige Ziel, Kinderarbeit bis 2025 aus der Welt zu schaffen. „Zum Welttag des Kindes am 20. September wollen wir den österreichischen Politiker*innen das wichtige Anliegen, wirksame Maßnahmen gegen Kinderarbeit auf der ganzen Welt zu setzen, in Erinnerung rufen, das angesichts vieler anderer drängender Themen nicht in den Hintergrund rücken darf”, so Kickingereder von der Initiative „Kinderarbeit stoppen” weiter.

Die Initiative „Kinderarbeit stoppen” – bestehend aus der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, FAIRTRADE Österreich, Jugend Eine Welt, Kindernothilfe Österreich, weltumspannend arbeiten (ÖGB) und Butterfly Rebels – fordert von österreichischen Regierungsmitgliedern und Parlamentarier*innen ein Lieferkettengesetz, das wirkungsvoll gegen Kinderarbeit vorgeht.

Alle Fotos: https://flic.kr/s/aHBqjA6eri

Quelle: ots.at

Der Welttag für menschenwürdige Arbeit im Jahr 2022

Kein Anlass zu feiern, umso mehr müssen wir fordern

Von Elisabeth Kerndl

Wie lässt sich ein Welttag im besten Fall feiern? Eigentlich durch das Zelebrieren und Würdigen von  Errungenschaften. Doch im Jahr 2022 kann im Zuge des Welttags für menschenwürdige Arbeit am 7. Oktober nicht von globalen beschäftigungspolitischen Verbesserungen berichtet werden. Anstelle dessen müssen, angesichts der Zunahme von moderner Sklaverei und wachsender Lohnungerechtigkeit die Apelle menschenwürdige Arbeit weltweit für alle Menschen durchzusetzen, lauter, stärker, breiter und somit durchsetzungsfähiger werden.

Seit wann gibt es diesen Welttag und warum?

Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) rief den Welttag im Zuge seiner Neugründung im Jahr 2006 als Internationalen Tag für Gute Arbeit ins Leben. Tatsächlich begangen wurde er erstmals im Jahr 2008. Seitdem nützen die Gewerkschaftsbewegungen weltweit diesen Tag als Anlass zum Appell an politische Entscheidungsträger:innen und Wirtschaftstreibende als auch an die Beschäftigten zur Durchsetzung menschenwürdiger Arbeit für alle Menschen weltweit.

Laut dem IGB umfasst eine menschenwürdige Arbeitswelt wie folgt:

  • Das Verbot von Kinderarbeit
  • Das Ende der Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsplatz
  • Das Verbessern qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienste
  • Umweltschutz
  • Hinreichender Arbeitsschutz für die Beschäftigten
  • Angemessene soziale Sicherung

Moderne Sklaverei nimmt zu

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), die internationale Menschenrechtsorganisation Walk Free und die Internationale Organisation for Migration (IOM) veröffentlichten im September 2022 einen Bericht über die Entwicklung von moderner Sklaverei, die Zwangsarbeit und Zwangsheirat beinhaltet. Dieser zeigt, dass beide Formen dieser eklatanten Menschenrechtsverletzungen ansteigen.  

Rund 50 Millionen Menschen lebten 2021 in moderner Sklaverei. Davon waren 27,6 Millionen von Zwangsarbeit betroffen, 22 Millionen waren in Zwangsehen gefangen, oder anders ausgedrückt, jede 150. Person auf dieser Welt ist davon betroffen. Im Vergleich weltweiter Schätzungen nahm die Anzahl von moderner Sklaverei Betroffenen seit 2016 bis 2021 um 10 Millionen Menschen signifikant zu. Bestehend bleibt, dass Frauen und Kinder besonders stark gefährdet sind. Der Mythos, dass moderne Sklaverei nur in Ländern des globalen Südens vorkäme, ist falsch, stattdessen findet sie sich in den meisten Ländern der Welt wieder, über die verschiedenen ethischen, kulturellen und religiösen Bräuche hinweg. Stattdessen kamen die Hälfte der Falle von Zwangsarbeit und ein Viertel der Fälle von Zwangsheirat in Ländern mit mittleren oder hohem Einkommen finden.

Definiert wurde Zwangsheirat und Zwangsarbeit im Rahmen des Berichts als Situationen von Ausbeutung der sich eine Person nicht verwehren kann oder daraus fliehen kann, aufgrund von Drohungen, Gewalt, Betrug, Machtmissbrauch oder anderer Formen von Nötigung.

Zur Zwangsarbeit

Zumeist (86%) findet Zwangsarbeit in der Privatwirtschaft statt, und umfasst praktisch alle darin enthaltenen Bereiche. Frauen sind einem höheren Risiko ausgesetzt physische oder sexuelle Gewalt oder Drohungen gegen Familienmitglieder zu erleben. Zudem sind migrantische Arbeiter:innen dreimal so sehr gefährdet Zwangsarbeiter:in werden zu müssen. Zwangsarbeit im Bereich der erzwungenen kommerziellen sexuellen Ausbeutung macht 23% aus, ansonsten findet sie sich zu 63% in anderen Bereichen wieder. Fast vier von fünf von erzwungener kommerzieller sexueller Ausbeutung betroffenen sind Frauen und Mädchen. Auch Staaten können treibende Akteuren von Zwangsarbeit sein: Die restlichen 14% der insgesamt von Zwangsarbeit Betroffenen wurden von Staaten dazu verordnet. Beinahe jeder achte von Zwangsarbeit Betroffene ist ein Kind, insgesamt werden rund 3,3 Millionen betroffene Kinder geschätzt. Mehr als die Hälfte dieser Kinder werden kommerziell sexuell ausgebeutet.

Zur Zwangsheirat

Auch Zwangsheirat findet sich weltweit wieder. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen, drei Viertel der Betroffenen sind unter 15 Jahre alt. Rund 22 Millionen Menschen lebten im Jahr 2021 in einer Zwangsehe, im Vergleich zu den Schätzungen von 2016 bedeutet dies eine Zunahme in der Höhe von 6,6 Millionen. Das Aufkommen von Zwangsheirat ist eng verknüpft mit patriarchalen Praktiken, jedoch im Kontext sehr divers. In mehr als 85% ist es der Fall, dass die Familie den Druck dafür ausübt. Regional kommt sie am meisten in Asien, dem Pazifik und in arabischen Staaten vor.

Reaktionen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB)

Sharan Burrow, IGB-Generalsekretärin findet „diese Ergebnisse sind erschreckend. Es ist unvorstellbar, wie der Alltag dieser Menschen aussieht, und es ist unentschuldbar, dass diese Zahl immer weiter ansteigt.“ Doch sie findet auch positives darin, wie beispielsweise Handlungsanleitungen, um dagegen vorzugehen:  “Es gibt viele gute Empfehlungen in diesem Bericht, insbesondere die Erkenntnis, dass die Achtung der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Tarifverhandlungen eine Voraussetzung für eine Welt ohne Zwangsarbeit ist. Außerdem wird ein universeller Sozialschutz empfohlen, der den Arbeitnehmern die Einkommenssicherheit gibt, die sie brauchen, um ihre Freiheit nicht durch moderne Sklaverei zu verlieren.“ Beides sind zentrale Bestandteile der IGB-Forderung nach einem Neuen Sozialvertrag, zusammen mit klimafreundlichen Arbeitsplätzen, Lohngerechtigkeit, Gleichberechtigung und Inklusion. „Wir brauchen jetzt einen Neuen Sozialvertrag, um die Macht auf die arbeitenden Menschen zu verlagern und damit zu beginnen, den Schaden der derzeitigen Wirtschaftsordnung, der zu diesem sich verschlimmernden globalen Skandal der modernen Sklaverei geführt hat, rückgängig zu machen“, so Burrow. Konkret fordert die IGB-Generalsekretärin dringend eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen einzuführen, um den Einsatz von Zwangsarbeit und andere Verstöße in den Lieferketten zu unterbinden, und dass nationale Regierungen den Arbeitsmarkt durch strenge Vorschriften und Sanktionen regulieren.”

Lohngerechtigkeit als zentrale Forderung des Internationalen Gewerkschaftsbundes

Der IGB widmete den Welttag für Menschenwürdige Arbeit dieses Jahr jenen Beschäftigten, die sich für die Schaffung von Lohngerechtigkeit einsetzen. Die Notwendigkeit für diese Schwerpunktsetzung ist gegeben durch die hohe Inflation, welche durch profitorientierte und einflussstarke Unternehmen angetrieben wird, die den Markt von Energie-, Verkehr-, Lebensmittel- und anderer lebenswichtiger Güter kontrollieren. Ein Umstand der immer mehr Beschäftigte und deren Familien in die Armut treibt.

Zahlen, Daten und Hintergründe von Lohnungerechtigkeit

Weltweit haben mehr als die Hälfte der Haushalte Probleme sich finanziell über Wasser halten zu können. 10% der Haushalte ist es bereits unmöglich die Kosten für Wesentliches abzudecken. Ursachen wie die COVID-19-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führen zu Einschränkungen bei den Lieferketten. Doch es gibt auch Unternehmen, die von diesen Krisen profitieren.

Bereits vor diesen Entwicklungen erfolgte jahrzehntelang ein Rückgang des Anteils den die arbeitende Bevölkerung am Wohlstand hat. Dessen Ursache ist wiederrum die Unterdrückung von gewerkschaftlichen Aktivitäten, insbesondere von Tarifverhandlungen. Dies führte dazu, dass die Beschäftigten bereits zuvor weniger erhielten als ihnen zustand. Obendrein sind die Höhen des Mindestlohns in den meisten Ländern der Welt unzureichend.

Lohngerechtigkeit ist ein wichtiger Eckpfeiler des Gesellschaftsvertrags zwischen Arbeitnehmer:innen, Regierungen und Arbeitgeber:innen, der aber zugunsten der Unternehmen gebrochen wurde. Werden diese Brüche von Regierungen bewusst unterstützt stellt dies eine Bedrohung der Demokratie dar, da die Unterdrückung von Gewerkschaften und ein Versagen in der Gewährleistung eines fairen Arbeitsrechts neue Höhen erreichen. 

Mit Beginn der Pandemie gibt es 573 neue Milliardäre, die 13,9 % des weltweiten BIP kontrollieren während täglich mehr als 700.000 Menschen in die Armut fallen.

Hinzukommend wird von einigen Wirtschaftswissenschaftler:innen, Zentralbänker:innen und konservativen Politiker:innen und Medien der Mythos bestärkt, dass die Inflation in irgendeiner Weise die Schuld der Beschäftigten sei und jede Einkommenserhöhung schlecht  für die Wirtschaft wäre, obwohl diese Behauptung schlichtweg falsch ist. Denn die Inflation in den wenigen Ländern mit automatischer Lohnindexierung liegt in etwa auf dem gleichen Niveau wie in vergleichbaren Ländern in denen Löhne nicht erhöht wurden.

Keine nachhaltige Verbesserungen ohne neuen Gesellschaftsvertrag

Den Arbeitnehmer:innen weltweit bleibt keine andere Wahl als zu streiken. Viele sind zudem einer gewaltsamen Unterdrückung durch Regierungen ausgesetzt, die den Interessen von Unternehmen gehorchen. Andere sind von der Drohung und dem tatsächlichen Verlust ihres Arbeitsplatzes ausgesetzt.

Fest steht, dass die internationale Gewerkschaftsbewegung geschlossen für Lohngerechtigkeit für alle Beschäftigen einsteht, sei es für formelle oder informelle Beschäftigte, egal in welchen Teil der Welt sie tätig sind oder welche Tätigkeit auch immer sie verrichten.

Einhergehend mit der Klimakrise, bewaffneter Konflikte und der Gier der Konzerne muss ein Wendepunkt eingeleitet werden durch welchen Regierungen akzeptieren die Interessen der Menschen in den Vordergrund zu stellen und sich nicht länger der Macht von Konzerneliten beugen.

Es braucht dringend einen neuen Gesellschaftsvertrag in dessen Zentrum die Lohngerechtigkeit stehen soll. Das bestehende weltweite Defizit von 575 Millionen Arbeitsplätze muss geschlossen werden, umso mehr sollen wesentliche Arbeitnehmer:innenrechte geachtet werden. Diskriminierung hat durch Gleichheit ersetzt zu werden, der soziale Schutz auf alle ausgedehnt und eine integrative Weltwirtschaft, die von den Überresten des Kolonialismus befreit ist, muss aufgebaut werden.

Das sind die Grundlagen die Frieden schaffen können, um die drängenden Herausforderungen unserer Zeit und jene der Zukunft bewältigen zu können.

Hinweis:
Anlässlich des Welttags für menschenwürdige Arbeit ist weltumspannend arbeiten bei den ÖGB-Bildungskonferenzen in Oberösterreich (6.10.) und Salzburg (7.10.) mit einem Informationsstand präsent.

Quellen:

Sozialminister Rauch trifft Palästinensische GewerkschafterInnen in Jerusalem

Bei einem Besuch in Jerusalem traf Bundesminister Johannes Rauch am 11. September 2022 VertreterInnen des Palästinensischen Gewerkschaftsbundes. Im Mittelpunkt der Gespräche stand das vom Sozialministerium unterstützte Projekt zur Ausarbeitung und Implementierung eines Sozialversicherungsgesetzes für Privatangestellte. Rund 70 % aller in der Privatwirtschaft Beschäftigten in Palästina sind nicht versichert und haben daher keinerlei sozialen Schutz. Das von weltumspannend arbeiten, dem entwicklungspolitischen Verein des ÖGB, durchgeführte Projekt möchte in Zusammenarbeit mit dem Palästinensischen Gewerkschaftsbund hier Abhilfe schaffen.

Minister Rauch hat sich nicht nur über die bisherigen Fortschritte erkundigt, sondern überlegt das Projekt auch weiterhin zu unterstützen. Neben der Sozialversicherung waren auch noch die Situation und Probleme der palästinensischen ArbeitnehmerInnen Themen der Unterredung.